1. EINLEITUNG

Der sogenannte Water Safety Plan (WSP) und die damit verbundene Risikobewertung wurde mit dem Jahr 2017, für die tschechischen Wasserversorger, gesetzlich verpflichtend geregelt. In der Lebensmittelindustrie wird bereits seit den 1960er Jahren das ähnlich gelagerte HACCP-System (Hazard Analysis and Critical Control Points) verwendet. Die Idee der Risikobewertung ist, im Wassersektor, erstmals in den 1990er Jahren in Holland eingesetzt worden. Im Jahr 2009 veröffentlichte die WHO [1], in Zusammenarbeit mit der International Water Association (IWA) [2], ein WSP-Umsetzungshandbuch [3]. Im Zeitraum zwischen 2006 und 2010 wurde das wissenschaftliche Projekt Techneau von der Europäischen Kommission durchgeführt. Unter tschechischer Beteiligung konnten mehrere WSP entwickelt werden. Einer dieser Pläne wurde durch die EnergieAG Tochter VaK Beroun, für die Gemeinde Březnice in Mittelböhmen [4], erstellt. In der Folge wurde die Risikobewertung in der Tschechischen Republik verpflichtend eingeführt. Im Rahmen der Überarbeitung der EU-Trinkwasserrichtlinie ist zu hoffen, dass alle EU-Staaten nachziehen werden.

2. VORBEREITUNGSARBEITEN

Eine ausführliche Beschreibung zur Umsetzung des WSP wurde durch das State Health Institute (SZÚ) vorgenommen [5]. Die Trinkwasserversorger wurden durch die Gesetzesänderung Nr. 258/2000 Slg., über den Schutz der öffentlichen Gesundheit (ZOVZ), zum Erstellen einer Risikobewertung verpflichtet. Die Ergebnisse müssen bis zum Jahr 2023 in den Betriebsordnungen Eingang finden. In einer Arbeitsgruppe der Ministerien für Gesundheit und Landwirtschaft, von SOVAK und CzWA, wurden Durchführungsverordnungen und Analysehäufigkeiten festgelegt. In der Folge wurden Seminare für Wasserversorger und Hygieniker abgehalten [6, 7]. Dazugehörige Dokumente, Anweisungen und Fachliteratur finden sich auf der Webseite von SZU. Ende 2018 wurde eine vereinfachte Methodik für kleine Wasserversorgungsanlagen entwickelt.

3. PROZESSFEHLER VERMEIDEN

Um Fehler bei der Risikobewertung zu vermeiden, empfiehlt es sich ein Evaluierungsteam einzusetzen. Umfassendes Fach- und Anlagenwissen ist bei dieser Expertengruppe eine Grundvoraussetzung. Besonders wertvoll kann auch der neutrale Blickwinkel von Kollegen „außerhalb des Unternehmens“ sein. Die Distanz zum Unternehmen kann bei der Beurteilung hilfreich sein, speziell um einer möglichen „Betriebsblindheit“ entgegenzuwirken. Es eröffnen sich so Chancen, um lang übersehene Fehlerquellen besser aufzuspüren. Eine elementare Voraussetzung zur Identifikation von Risiken, ist eine korrekte und vollständige Beschreibung des Systems. Dabei sind Daten zu den wichtigen historischen Ereignissen ein ebenso bedeutendes Element, wie langfristige Qualitätsdaten.

Gefahrenerkennung

Im Bereich der Gefahrenerkennung sind „Vor-Ort Analysen“ unabdingbar. Bei einer System-Überprüfung ist ein kritischer Zugang wichtig! Eine reine Routinekontrolle könnte diesem Anspruch nicht gerecht werden. Einige Risiken sind leicht erkennbar, andere liegen möglicherweise im Verborgenen. Es ist daher von Vorteil, auf bestehende Risikolisten (siehe EAA-Website) oder Checklisten aufzubauen. Unsere Erfahrung zeigt, dass es besser ist am Beginn mehr Risiken zu beschreiben und sie später im Prozess wieder zu verwerfen, als Risiken zu übersehen. Eine Bewertung und Beschreibung der Risiken sollte möglichst realistisch, nicht zu hoch und nicht zu gering erfolgen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen müssen innerhalb der festgelegten Fristen umsetzbar sein. Die zu beantwortenden Fragen nach dem „WAS, WER und WANN“ – Prinzip müssen im Vorfeld exakt definiert werden.

Betriebsüberwachung

Bei der Betriebsüberwachung geht es um die Abarbeitung der festgelegten Maßnahmen und die Einhaltung der Prozessschritte. Eine regelmäßige Überprüfung nur nach den heutigen Betriebsordnungen wäre hier nicht ausreichend. Die Mindestfrequenz der Überwachung für kleine und wenig risikobehaftete Objekte wurde mit einem Intervall von einmal wöchentlich festgelegt. In den meisten Fällen kann dies mittels Fernüberwachungen, Alarmsensoren und Online Messungen genau und verlässlich gelöst werden.

Kontinuierliche Verbesserung

Für größere Betreiber ist die Auswertung und Interpretation von Messergebnissen eine Standardaufgabe. Es gilt Beschwerden zu lösen, Ursachen bei Aus- und Unfällen zu analysieren und die entstandenen Lernpotentiale bestmöglich zu nutzen. Dadurch können Risikobeschreibungen, Prozesse und Maßnahmen entsprechend verbessert werden.

4. HERAUSFORDERUNGEN

Kleine Versorger

Jeder Versorger (ab 50 versorgten Einwohnern) ist verpflichtet einen sogenannten „gesetzlichen Vertreter“ namhaft zu machen. Dieser hat, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Qualifikationsanforderungen, eine solide Risikobewertung, gegebenenfalls mit externer Unterstützung, durchzuführen. Theorie und Praxis sind aber nicht immer deckungsgleich. Oft erfüllt der professionelle Vertreter zwar die formalen Kriterien, es fehlt ihm aber eine entsprechende Betriebspraxis. Im anderen Fall ist er vielleicht fachkundig, stellt aber seine Berechtigung nur formal zur Verfügung und hat keine Anlagenkenntnis. Bei der Umsetzung des neuen WSP sollte die Kontrolle der Gesundheitsbehörden dazu beitragen, diese Diskrepanz zu verringern.

Große Versorger

Eine Herausforderung für große Versorger ist es, in Abhängigkeit von ihren Versorgungsgebieten, hunderte Betriebsordnungen zu aktualisieren. Daran sind viele Fachbereiche beteiligt. Führende Technologen sind meist jene Personen, die auf ihre Systeme zur Qualitätskontrolle aufbauen können. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die Risikobewertung praxisorientiert und unter Berücksichtigung der lokalen Situation erfolgt.

Der Tschechische Weg – wo stehen wir heute?

Seit der Einführung des WSP sind bereits zwei Jahre vergangen. Von den anzupassenden 4.100 Betriebsordnungen wurden bisher rund 100 angepasst und bei der Behörde zur Genehmigung eingereicht. Ein Anfang ist also gemacht, aber es liegt noch viel Arbeit vor uns. Die Einführungsfrist läuft noch bis Ende 2023. Aus heutiger Sicht scheint eine Zielerreichung schwierig bzw. besteht die Gefahr, dass die WSP lediglich rudimentär eingereicht werden. Den Gesundheitsbehörden obliegt es hier auf eine konsequente Qualitätssicherung zu achten.

5. VEREINFACHTER WSP FÜR KLEINE WASSERVERSORGER

Im Jahr 2017 gab es in der Tschechischen Republik 6.795 Infrastruktureigentümer und 2.878 Betreiber. Die 50 größten Versorger lieferten 88,7 % des Trinkwassers [9]. Über 3.000 Versorgungsanlagen, umgerechnet 75 % der 4.100 Anlagen in Tschechien, versorgen weniger als 1.000 Einwohner. Mehr als die Hälfte (2.250 Versorgungen) beliefern sogar weniger als 300 Einwohner. Die Mehrzahl der WSP betrifft daher kleine Versorger mit weniger Erfahrung und Ressourcen. Aus diesem Grund wurde für die kleinen Versorger mit bis zu 300 Einwohnern, ein eigenes WSP-Modell entwickelt [10]. Dieses kommt bei Wasserversorgungen zum Einsatz, die maximal 9.000 m³ Trinkwasser (gewonnen aus Grundwasser) pro Jahr, liefern. Aus einer Checkliste können, mittels JA/NEIN Beantwortung, jene Risiken ausgewählt werden, die über 90 % der üblicherweise auftretenden Probleme abdecken. Zusätzlich bleibt Raum für weitere ortsspezifische Risiken. Die festgestellten Risiken werden dann im Rahmen der Betriebsordnung behandelt, sodass der Versorger einen Leitfaden der guten betrieblichen Praxis erhält. Die sonst standardgemäße Folgeabschätzung und Eintrittswahrscheinlichkeit entfällt bei diesem vereinfachten Verfahren.

6. SCHLUSSFOLGERUNG

Um es in der Sprache des Sports zu beschreiben: Mit dem WSP wurden neue Spielregeln eingeführt, die das Spielfeld, die Regeln und die Schiedsrichter neu definieren. Die Spieler haben die Pflicht mitzumachen! ABER: Viele von ihnen zögern noch, weil sie den Sport noch nie praktiziert haben. Ihr Verständnis für die neuen Regeln ist vermutlich noch zu wenig ausgeprägt. Jeder Mitspieler wird aber rasch erkennen, dass er nur gewinnen kann. Noch zögernde Mitspieler können durch Erfahrungs- und Erfolgsberichte motiviert werden. Spieler der Top-League, die großen und oft privaten Wasserversorger, können als Positivbeispiele vor den Vorhang geholt werden. Sie sollen als Vorbilder zur Einhaltung der Spieldauer bis zum Jahresende 2023 beitragen.

Das Verzeichnis der Literatur

[1] WHO (2004). Guidelines for Drinking-water Quality. Vol. 1: 3rd ed. World Health Organization, Geneva, ISBN 9241546387

[2] IWA (2004). The Bonn Charter for Safe Drinking Water. International Water Association [vid. 2019-07-15], dostupné z https://iwa-network.org/publications/the-bonn-charter-for-safe-drinking-water/

[3] Bartram J., Corrales L., Davison A., Deere D., Drury D., Gordon B., Howard G., Rinehold A. Stevens M. (2009). Water safety plan manual: step-by-step risk management for drinking-water suppliers, World Health Organization, Geneva, ISBN 9789241562638

[4] Kožíšek F., Paul J., Gari D.W., Tuhovčák L., Pumann P. (2009). Risk Assessment Case Study 1: Březnice, Czech Republic. TECHNEAU: Safe Drinking Water from Source to Tap; State-of-art and Perspectives, Editors Theo van den Hoven and Christian Kazner, Iwa Publishing, London, ISBN: 9781843392750, pp. 229-238

[5] Kožíšek F, Pumann P., Šašek J., Jeligová H. (2018). Metodický návod ke zpracování posouzení rizik systémů zásobování pitnou vodou podle zákona o ochraně veřejného zdraví (Verze 2 – 6. 9. 2018), Státní zdravotní ústav, Národní referenční centrum pro pitnou vodu, Praha.

[6] Paul J. (2018) Seminář Riziková analýza - nová povinnost ve vodárenství. Otázky a odpovědi. Vodní hospodářství, 68 (7), 30-31.

[7] Sochorová H. (2019) Seminář Riziková analýza - otázky a odpovědi II. Vodní hospodářství, 69 (7), 23.

[8] Paul J., P. Pumann, F. Kožíšek, H. Jeligová (2016). Odhad nákladů na zavedení rizikové analýzy., Sborník konference Pitná voda 2016, Tábor, 23.5-26.5.2016. W&ET Team, České Budějovice, str. 139-146, ISBN 9788090523821

[9] Duda J., Bogdanova V., Gremlica T., Lípa O. (2018). Vodovody kanalizace ČR. Ministerstvo zemědělství, Praha, ISBN 978-80-7434-464-0

[10] Kožíšek F, Jeligová H., Baudišová D., Paul J., Pašková P., Stara J., Hušková R., Kučera T., Hloušek T. (2018). Zjednodušená metodika na zpracování posouzení rizik malých systémů zásobování pitnou vodou podle zákona o ochraně veřejného zdraví. Státní zdravotní ústav, Národní referenční centrum pro pitnou vodu, Praha.